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Bildmontage bestehend aus Judo Anzug im Hintergrund und den Lernzielen der Scrum Alliance zum Scrum Master als Sinnbild für Trainer-Kata von Björn Jensen

Schärfe Deine Fähigkeiten als Trainer…mit der Trainer – Kata

Schärfe Deine Fähigkeiten als Trainer…mit der Trainer – Kata

Eine Möglichkeit für Trainer*innen kontinuierlich zu wachsen

Seit einigen Jahren bin ich in der Trainer Approval Community (TAC) der Scrum Alliance tätig. Das TAC ist sozusagen die letzte Bastion, die ein angehender Certified Scrum Trainer (CST) nehmen muss. Und in diesem Zusammenhang bekomme ich immer wieder die Frage, wie man sich denn auf das TAC am Besten vorbereiten kann. Wobei hier meistens der zweite Teil des Bewerbungsprozesses zum CST der Scrum Alliance gemeint ist: eine persönliche Runde von gut 100 Minuten, in der u.a. man einer Gruppe von fünf Mitgliedern des TAC seine Fähig- und Fertigkeiten als Trainer*in unter Beweis stellen darf.

In diesem Blogpost möchte ich eine Möglichkeit vorstellen, die jede*r Trainer*in helfen kann, als Trainer*in zu wachsen, unabhängig davon, ob man sich in Richtung CST bewegt oder nicht. Dafür brauchst Du folgende Informationen:

Welche Lernziele werden angestrebt?

Durch eine mögliche Auftragsklärung mit Kund*in und den Klient*innen kann man hier wunderbar schon mal ein paar Einsichten bekommen. Idealerweise hast Du ebenfalls eine Vorstellung davon, was zusätzlich an Wissen vorhanden sein muss, um die gewünschten Lernziele zu erreichen. Was dieses Thema dann noch abrundet, ist Deine persönliche Meinung darüber, was Du den Teilnehmer*innen Deines Trainings auch mitgeben möchtest. Daraus kannst Du dann Deine eigene „Lerndramaturgie“ oder auch „Lernreise“ entwickeln, die die Teilnehmer*innen erleben dürfen.

Wieviel Zeit habe ich für die Lernziele?

Diese Information ist neben den Lernzielen ebenfalls essentiell. Damit weißt Du, wie viel Zeit Du für die Lernreise hast. Nun gibt es zwei Ansätze, die man als Trainer*in verfolgen kann:

  • Lieferung des Inhalts innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit, koste es, was es wolle oder (Output)
  • gewünschte Lernerfahrung stattfinden lassen (Outcome)

Ich sehe sehr viele Trainer*innen, die ihre Lernreise dahingehend optimieren, dass sie auch die letzte Minute mit Inhaltsvermittlung und Methodenfeuer einplanen. Dabei berücksichtigen sie eine wichtige Sache nicht genug: den Teilnehmer bzw. die Teilnehmerin. Denn erst sie machen ein Training durch ihre Lernerfahrung und die daraus resultierenden Impulse für ihren Alltag erfolgreich. Auch hier kann man wieder wunderbar das Agile Manifest mit einbringen:

Individuen und Interaktionen über Prozesse und Werkzeuge

Es geht um den Menschen, der da nun im Training sitzt. Erfahrungsbasiertes Lernen ist das, was am meisten fruchtet. Nicht umsonst hat Konfuzius schon folgendes gelehrt:

„Sage es mir, und ich werde es vergessen.

Zeige es mir, und ich werde mich vielleicht daran erinnern.

Lass es mich tun, und ich werde es können.“

Konfuzius

Welche Prozesse, welche Werkzeuge und welche Interaktionen stattfinden sollten, hängt natürlich zum Einen von den beteiligten Individuen und zum Anderen von der zur Verfügung stehenden Zeit ab. Eine Interaktionsrichtung ist zwischen Trainer*in und Teilnehmer*in, häufig in Form von Fragen. Weniger gute Lernreisen beginnen meist schon damit, dass Fragen während der Session nicht erwünscht sind. Bessere Lernreise lassen Fragen jederzeit zu. Und einer Sache kannst Du Dir sicher sein: es werden Fragen kommen. Ob ausgesprochen oder nicht. Und je weniger ich Fragen aussprechen und adressieren kann, desto mehr werde ich gefrustet und nehme meist immer weniger auf. Schaffe also in Deinen Trainings auch Raum für Fragen. Trainer*innen, die auch die letzte Minute verplanen, schaffen es meist nicht, diese Timebox auch wirklich einzuhalten.

Funktionierende Produkte über umfangreiche Dokumentation

Das Produkt des Trainings ist das, was der oder die Teilnehmer*innen letztendlich daraus machen. Aus diesem Grund sollte man sich also eher um das Design der Lernreise und damit der Evolution der Teilnehmenden kümmern als um Hochglanz – Powerpoint-Slides oder Hochglanz – Flipcharts.

Zusammenarbeit mit dem Kunden über Vertragsverhandlungen

Spannend wird es, wenn Trainer*innen ihre Lernreise designed haben,  sie auf die Teilnehmenden loslassen und diese während der ganzen Reise nicht einmal fragen, wie es ihnen auf dieser Reise geht und ob diese auch wertvoll für sie ist. Für mich habe ich da u.a. folgende Dinge gefunden und praktiziere diese auch immer:

  1. Zu Beginn des Trainings bitte ich die Teilnehmer*innen, ihre individuellen Lernerwartungen aufzuschreiben: Worüber müssen wir in diesem Training sprechen, welche Fragen und Themen müssen wir behandeln, damit Du im Nachgang sagen würdest, dass sich die Zeit hier für Dich gelohnt hat?“
  2. In regelmäßigen Abständen schauen wir auf die Lernerwartungen wieder drauf: haben sich Fragen/Themen geklärt? Wunderbar – weg damit. Sind neue dazugekommen? Klasse – rauf damit auf die Liste der Lernerwartungen.
  3. Ich habe mir angewöhnt, jedes Mal, wenn ich eine Frage beantworte, zu fragen: „Hilft Dir das?“ Und wenn hier ein Zögern oder gar ein „Nicht wirklich“ o.ä. kommt, dann kann ich nachliefern.

Eingehen auf Veränderungen über Befolgen eines Plans

Was nützt die schönste Lernreise, wenn die Teilnehmer*innen nichts daraus mitnehmen? Die o.g. Punkte helfen mir, frühzeitig zu erkennen, ob die Lernreise für die Teilnehmer*innen wertvoll ist oder nicht. Sollte sich herausstellen, dass die Lernreise nicht wirklich greift, muss ich mich in dem Thema frei genug bewegen können, um diese Lernreise ad hoc umgestalten zu können. Das kann dazu führen, dass ich nicht alle vorher besprochenen Lernziele erreichen kann – doch was ist wichtiger: Output oder Outcome? Letzteres ist meiner Ansicht nach wichtiger. Und lieber habe ich weniger vermittelt, das aber richtig landen konnte als viel vermittelt zu haben, was nicht richtig landet.

Die Trainer – Kata

In den japanischen Kampfkünsten wie bspw. dem Karate sind Katas festgelegte Bewegungsabläufe, die dem Anwender helfen, diese durch ständige Wiederholung zu meistern. Und je reifer man ist, desto tiefer gehen die Einsichten, die man aus den Katas gewinnen kann. Es geht bis zur vollständigen Durchdringung der Essenz dieser Abläufe, ihrer Hintergründe und ihrer Anwendung. Einige nennen in diesem Kontext auch das Shu-Ha-Ri-Modell, was man auch erst einmal so stehen lassen kann. Da ich mich selbst seit gefühlten Ewigkeiten in asiatischen Kampfkünsten übe und Katas (oder Kuen) als sehr wertvoll empfinde, habe ich diese auch in meinen Alltag als Trainer überführen wollen und mir das Format der Trainer – Kata ausgedacht. Diese Katas mache ich selbst sehr oft und auch die Trainer – Kandidaten, die ich auf ihrer Reise in Richtung CST begleiten darf, praktizieren diese mit großem Erfolg.

Was brauchst Du für die Trainer – Kata?

Für die Trainer – Kata braucht es nicht viel:

Die gewünschten Lernziele hast Du vermutlich schon im Vorfeld bekommen und die Zeit, die Dir zur Verfügung steht, hast Du vermutlich ebenfalls. Wunderbar.

Wie funktioniert die Trainer – Kata?

Schritt 1: Nimm‘ Dir alle Lernziele, die vermittelt werden sollen und schreibe diese auf kleine Zettel. Pro Zettel bitte nur ein Lernziel. Packe alle Zettel in eine große Schüssel und mische sie gut durch. **

Schritt 2: Nimm‘ Dir den Satz Planning Poker Karten, entferne die „0“ und mische auch diese gut durch.

Schritt 3: Ziehe einen Zettel aus der Schüssel und eine Karten aus dem Satz Planning Poker Karten.

Damit hast Du nun folgende Dinge:

  • Das zu vermittelnde Lernziel (kommt aus der Schüssel)
  • Die Dir zur Verfügung stehende Zeit in Minuten (dargestellt durch die gezogene Planning Poker Karte)

Schritt 4: Überlege Dir nun, wie Du das Lernziel im gegebenen Zeitrahmen am Besten vermitteln kannst.

Schritt 5: Stelle Dir den Timer und führe die Lernreise durch.

Schritt 6: Beginne wieder bei Schritt 1.

Bsp. – Anwendung der Trainer – Kata

Ich nehme hier ein Beispiel aus meiner Erfahrung als Mentor von angehenden CSTs der Scrum Alliance. Hier kommt Nava*** ins Spiel. Nava möchte CST der Scrum Alliance werden und hat sich mit dem Weg dahin ausgiebig vertraut gemacht. Sie hat mittlerweile viele Jahre Erfahrung als ScrumMaster und auch selbst angehende ScrumMaster als Mentor begleitet. Aus diesem Grund fokussiert sich Nava auf das Training von ScrumMaster*innen. Damit hat sie nun einen Vorteil: die Anforderungen seitens der Scrum Alliance an die Ausbildung von ScrumMaster*innen ist bekannt und als Download verfügbar (Scrum Foundations & Certified ScrumMaster).

Schritt 1: Nava druckt die o.g. Lernziele aus, faltet diese, so dass sie die Inhalte nicht sehen kann und packt diese in eine große Schüssel. Anschließend mischt sie die Lernziele gut durch.

Schritt 2: Sie hat vor Ewigkeiten an einem Certified ScrumMaster teilgenommen und dort einen Satz Planning Poker Karten bekommen. Diese nutzt sie jetzt. Da in der TAC – Session die Praxiseinheit auf 20 Minuten begrenzt ist, nutzt sie nur die Karten 1, 2, 3, 5, 8 und 13. Diese Karten mischt sie ebenfalls.

Schritt 3: Nun zieht sie ein Lernziel aus der Schüssel und eine Karte aus den Planning Poker Karten:

  • Lernziel: Sprint Planning
  • Planning Poker Karte: 8

Damit hat Nava nun 8 Minuten, in denen sie das Thema “Sprint Planning” vermitteln darf.

Schritt 4: Sie schaut sich an, welche Punkte seitens der Scrum Alliance  erfüllt sein müssen. Dann überlegt sie sich, was ihr an dem Thema wichtig ist und was sie den Teilnehmer*innen aus eigener Erfahrung gern mitgeben möchte. Nun kann sie sich Gedanken darüber machen, wie die Lernreise aussehen soll und welche Interaktionen in den 8 Minuten stattfinden müssen, um die entsprechende Lernerfahrung stattfinden zu lassen. 

Schritt 5: Nava führt die von ihr erdachte Lernreise in 8 Minuten durch. Glücklicherweise hat sie ein paar Leute als Teilnehmer*innen gewinnen können. Anschließend holt sie sich entsprechend Feedback ein und kann darüber reflektieren, was an dieser Lernreise gut war, was noch fehlte und was sie beim nächsten Mal in 8 Minuten wie anders machen möchte.

Schritt 6: Bei der nächsten Gelegenheit fängt Nava wieder bei Schritt 1 an. Jetzt hat sie mehrere Möglichkeiten:

i. Sie behält das Thema und die Timebox.

ii. Sie behält das Thema und wählt eine neue Timebox. Dazu kann sie die 8 Minuten aus dem Planning Poker Kartenspiel entfernen.

iii. Sie behält die Timebox und wählt ein neues Thema. Dazu kann sie das Thema aus der Schüssel entfernen.

iv. Sie macht beides neu. Dazu kann sie beides, Thema und Planning Poker Karte, entfernen.

v. Wenn Sie das schon ein paar mal gemacht hat, könnte sie versuchen, mehrere Themen in einer durch eine Planning Poker Karte gegebene Zeit bedienen.

Mit diesem Vorgehen kannst Du Dir eine große Methodensicherheit erarbeiten, so dass Du bei beliebiger Timebox immer eine geeignete Methodik hast, die Dir hilft, den für Dich wesentlichen Teil zu vermitteln. Wenn also Nava in die Situation kommt, dass sie für ein Thema 20 Minuten Zeit hat, jedoch nach 14 Minuten das Thema immer noch nicht vermitteln konnte, kann sie umschalten auf ihren Ansatz für 5 Minuten Timebox. Vielleicht ist der Ansatz dann eher frontal und nicht so interaktiv, aber der ihr wichtige Teil konnte dennoch vermittelt werden.

Mich würde interessieren, ob Dir die Trainer – Kata geholfen hat bzw. Du darin eine Möglichkeit siehst, sie nützlich für Dich einzusetzen. Wenn Du bestimmte Dinge anders machen würdest oder Du Dinge vermisst, würde mich das ebenfalls interessieren. Hinterlasse mir doch hier dazu einen Kommentar. Das wäre klasse 🙂


* Die fünf Personen sind generell drei sehr erfahrene Certified Scrum Trainer (CST) und zwei Angestellte der Scrum Alliance.

** Für Trainer*innen, die öfter unterwegs sind, ist eine Schüssel nicht so praktisch. Ich fand Blanko – Spielkarten hier hilfreich. Ansonsten kann auch eine entsprechende App wie bspw. Tiny Decisions genutzen werden…

*** Dieser Name ist zufällig gewählt und die Person Nava ist fiktiv.

 

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