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Bildmontage für den ersten Teil von Björn Jensens Blogbeitrag 'Wertvoll in Richtung Agilität' bestehend aus der Nummer 1 und einem Auszug aus der Darstellung 'Agiler Scherbenhaufen'

WERTvoll in Richtung mehr Agilität – aber wie?

WERTvoll in Richtung mehr Agilität – aber wie?

Reflexion mittels des Agilen Manifests (Teil 1)

Retrospektiven sind so eine Sache. Als frische:r Scrum Master:in läuft man gern in die Falle, dass Retros immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Ab und an beschäftigt man sich hier mit den Fragen, die man im Scrum Guide findet:

  • Was lief gut? 
  • Wie können wir uns verbessern?
  • Wie wollen wir diese Verbesserungsmöglichkeiten angehen?

Häufiger finde ich diese Fragen in den Retros wieder:

  • Was war gut?
  • Was war nicht so gut?
  • Wie können wir uns verbessern?

Damit bekommt die Retro einen leichten Abwärtsdrift. Darum habe ich mir die Frage gestellt, wie wir die Retro ein wenig anders gestalten können, so dass das Thema “Agilität” auch ein wenig mehr Fokus bekommt. Und was liegt da näher, als das Manifest für Agile Softwareentwicklung selbst zu nutzen.

Vorbereitung der Retrospektive

Was braucht es für die Retrospektive? Nicht viel! Überlege Dir, wie viel Zeit Du gern mit Deinem Team in die Reflexion der Agilen Werte stecken möchtest. Die Retrospektiven, die ich begleitet habe, dauerten immer mindestens 90 Minuten und ich denke, die solltest Du hier ebenfalls einplanen. Was brauchst Du noch? Die Agilen Werte! Solltest Du diese nicht haben, findest Du meine Version hier 🙂 Ich habe gute Erfahrungen gemacht, die Werte (und auch die anderen Bestandteile des Agilen Manifests) jeweils auf eine DIN A4 – Seite zu drucken. Und das war’s dann im Grunde auch schon.

Die Retrospektive

Die Bühne bereiten

Die Retro eröffne ich so wie die meisten mit einem CheckIn und dem Bereiten der Bühne (Set the stage). Da kannst Du alles nehmen, was Dir passt. Häufig kommen hier die Las Vegas Regel (“Whatever happens in Vegas, stays in Vegas”) und die Prime Directive von Norman Kerth zum Zug. Im Übrigen orientiere ich mich hier an den fünf Stufen einer Retrospektive, die Diana Larsen und Esther Derby 2006 in ihrem Buch “Agile Retrospectives: Making Good Teams Great” veröffentlicht haben.

Daten sammeln

Im nächsten Schritt, beim Sammeln der Daten und Fakten (Gathering Data) können wir mit der eigentlichen Übung loslegen. Hier ist ein wenig Geschick im Storytelling hilfreich. Was ich gern erzähle, ist, dass mir das Agile Manifest auf dem Weg zur Retro heruntergefallen und zerbrochen ist. Während ich das erzähle, verteile ich die acht Werte aus dem Agilen Manifest willkürlich auf dem Boden, mit der Schrift nach unten. 

Der Agile Scherbenhaufen

Dann erwähne ich kurz, dass das Agile Manifest ja u.a. aus vier Wertepaaren besteht mit jeweils einer linken und einer rechten Seite. Und das für uns im Agilen die linke Seite wichtiger ist als die rechte. Wobei die rechte Seite nicht unwichtig ist. Sie ist nur weniger wichtig als die linke. Jetzt bitte ich das Team, mir zu helfen, das Agile Manifest zu reparieren. Die Aufgabe ist es, die Wertepaare zu identifizieren, die zusammengehören und laut (!) zu argumentieren, warum das so ist (und auch, warum etwas nicht so ist 😉 – hier solltest Du als Scrum Master:in gut zuhören, da der Dialog, der nun entsteht, Dir Einblicke in die unterschiedliche Meinungen und Standpunkte geben kann. Sollten sich im Team Personen befinden, die das Agile Manifest gut kennen, dann bitte diese doch, sich in der Diskussion ein wenig zurückzuhalten.

Wenn sich die Gruppe sicher ist, dann löse ich auf. Wenn die Wertepaare klar sind, dann erwähne ich auch den Teil des Agilen Manifests, der meist nicht so bekannt ist: den einleitenden Satz und den Satz, der dann zu den zwölf Prinzipien führt. Doch um die geht später im zweiten Teil dieses Blogposts.

Einsichten generieren

Jetzt wird es spannend. Ich ziehe unter jedem Wertepaar eine Linie und bitte nun das Team, einen Konsens hinsichtlich folgender Fragen zu finden:

Der Agile Equalizer (für alle, die noch wissen, was das ist 😉 )
  • Wo stehen wir eigentlich auf jeder der vier Linien? Eher links? Eher rechts?
  • Wie weit stehen wir eigentlich?
  • Und was zeichnet die Position aus, auf der wir stehen? Was ist anders zur Position davor (in Richtung Mitte)? Was ist anders im Vergleich zur Position danach (Richtung außen)?

Damit befinden wir uns in der dritten Stufe, dem Generieren von Einsichten (Generate Insights).

Status quo

Entscheiden, was wir tun

Nun haben wir alles zusammen, um die vierte Stufe einer Retrospektive betreten. Hier geht es im Grunde um folgende Themen:

  • Was können wir tun, um unsere Situation zu verbessern?
  • Was sollten wir tun?
  • Was müssen wir tun?

Meist setze ich hier noch folgenden Rahmen:

Wir möchten, dass sich unser Weg zu Arbeiten in den nächsten vier Wochen signifikant verbessert, können jedoch nur ein Wertepaar verändern!

Björn Jensen

Dann gebe ich die Aufgabe in das Team, zu folgenden Fragen Antworten zu finden:

  • Welches Wertepaar wählen wir? Wozu?
  • In welche Richtung sollte sich dieses Wertepaar ändern? Wozu?
  • Was muss passieren, damit diese Veränderung geschehen kann?
  • Woran wird jemand von außen merken, dass sich hier etwas verändert hat?
  • Welche zwei bis drei Maßnahmen ergeben sich daraus für uns? Wie zuversichtlich sind wir, dass diese Maßnahmen auch geschehen?
Wohin soll die Reise gehen? Und wie kommen wir dahin?

Die Maßnahmen, die sich ergeben haben, können wir dann mit ins nächste Sprint Planning nehmen, um zu schauen, wer sich um welche dieser Maßnahmen kümmern möchte.

Die Retro schließen

Jetzt können wir die Retro schließen. Nimm das, was Dir einfällt und was Dir und Deinem Team hilft. Ich persönlich mache gern von Zeit zu Zeit eine “Plus/Delta” – Analyse, die auf folgende zwei Fragen abzielt:

  • Was hat Dir an dieser Retrospektive gut gefallen?
  • Was sollte beim nächsten Mal wie anders sein?

Und damit hast Du eine Retrospektive anhand der vier agilen Wertepaare gemacht.

Wie oft sollte man das machen?

Wenn man mal schaut, wie viele Teams da draußen rumlaufen, die sich noch nie mit den Agilen Wertepaaren auseinandergesetzt haben, dann kann es nicht schaden, diese Retro immer mal wieder durchzuführen – natürlich mit ausreichendem Abstand zueinander. Traue hier doch Deinem Bauchgefühl. Wenn Du meinst, dass in deinem Team oder seinem Umfeld einer der Agilen Werte vielleicht zu kurz kommt, dann könnte es mal wieder an der Zeit sein…

Ich hoffe, dass Du damit etwas anfangen kannst und ich würde mich über Deine Erfahrungen (und ggf. Abwandlungen) sehr freuen. Hinterlass’ mir doch einfach einen Kommentar 🙂

Und beim nächsten Mal werfen wir einen Blick auf die Agilen Prinzipien.

Oldie but Goldie

Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 01.08.2013 in einem anderen Blog veröffentlicht, der heute gar nicht mehr existiert. Da ich diesen (und auch andere) Artikel nach wie vor für wertvoll halte, werden im Laufe der Zeit immer wieder mal so “alte” Fundstücke unter dem Label “Oldie but Goldie” veröffentlicht. 2015 habe ich dazu im Übrigen eine Session auf der Agile Cologne gehalten, an der auch u.a. unser Komplize Falk Kühnel teilgenommen hat 😉

Die Agile Cologne 2015

 

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Agile Methoden und insbesondere Scrum haben die Art und Weise, wie Software entwickelt wird, revolutioniert. Sie ermöglichen Teams, schnell auf Veränderungen zu reagieren, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und die Lieferung von Produkten in kurzen, iterativen Zyklen zu optimieren. Scrum, als eines der beliebtesten agilen Frameworks, strukturiert die Produktentwicklung in Sprints, die typischerweise zwei bis vier Wochen dauern und am Ende jedes Sprints ein potenziell auslieferbares Produktinkrement liefern.
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